++ KULTURTAGE DER [ID]FACTORY IN CLEUYOU HOTSPOT FÜR KUNST UND WISSENSCHAFT AM ENDE DER WELT ++ 27. 08. – 02. 09. 2014

Die Kulturtage im schönen Finistere am Ende der Welt haben Tradition: Bereits zum 5. Mal verwandelten Künstler und Wissenschaftler das Manoir in einen Ort spannender und kontroverser Begegnungen unterschiedlichster Fachgebiete wie Mathematik, Bildende Kunst, Musik, Informatik, Gestalttherapie und Kochkunst. Das vom Architekten und Mitbegründer der IDfactory Werner Preißing zum Hotspot für Kultur umgestaltete Schloss mit Ateliers und Salons wurde bis in die späten Nächte genutzt zum Diskutieren, Musizieren und Kommunizieren. Leitung Marion Bertram.

27. 08. – 02. 09. 2014

Während 2013 die Kulturtage ganz im Zeichen der Musik standen und mit den Konzerten von Prof. Eva-Maria Houben (Orgel) und Bileam Kümper (Tuba / beide TU Dortmund) in der Kirche Saint- Guinal in Ergue-Gaberic und in Salonkonzerten eine Bewusstwerdung der Stille und differenzierten Töne eröffnete, lag der Fokus diesmal auf der Begegnung der Künste mit der Mathematik. In einer Matinée stellte der Mathematiker Prof. Dr. Lorenz Schwachhöfer von der Technischen Universität Dortmund in seinem Vortrag die Grundlagen der Mathematik und ihrem axiomatischen Aufbau vor. Die Gegenüberstellung der Mathematik mit den anschließenden künstlerischen Interventionen des Musikers Robert Koch („Three Rooms, Three Pieces“/TU Dortmund), den bildnerischen Installationen der Künstlerin Claudia Rottsahl (Düsseldorf) nebst einem kulinarischen Finale entfachten Diskurse. Worin unterscheiden sich künstlerisches und mathematisches Denken? Zweifellos bewegen sich Künstler und Wissenschaftler aktuell aufeinander zu wie die Experten in Cleuyou, auch wenn auf der internationalen Bühne in diesem Sektor noch Synergiemangel vorherrscht, wie die Dokumenta XIII bereits thematisierte. Eine wichtige Rolle scheint dabei der Ort zu spielen, wie der des geschichtsträchtigen französischen Tagungsortes, wo sich digitale Welten und zeitgenössisches Denken in Räumen des 16ten Jahrhunderts entfalten können. Die Vorträge werden in der IDfactory wiederholt. Save the date: Mittwoch 14.1.2015 (Vortrag Prof. Dr. Schwachhöfer) und Mittwoch 28.1.2015 (Vortragsperformance Robert Koch), beide Termine um 18.00 Uhr.

Mitstreiter und Gäste der diesjährigen Kulturwoche waren:

Prof. Dr. Schwachhöfer, Mathematiker, Technische Universität Dortmund; Dörthe Bäumer, Künstlerin und Journalistin, München; Claudia Rottsahl, Künstlerin und Kulturwissenschaftlerin, Düsseldorf; Dr. Werner Preißing, Architekt und Systemanalytiker, Stuttgart; Prof. Ursula Bertram, Künstlerin und Dozentin, IDfactory, TU Dortmund; Harald Hutzel, Musiker, Dettelbach; Matthias Will, Informatiker, Bonn; Wilma Hess, Kochkünstlerin und Pädagogin, Kitzingen; Monika Kansy, Gestalttherapeutin und Informatikerin, Mainz; Robert Koch, Musiker und Musikwissenschaftler, Dortmund, Marion Bertram, Sportlerin und Pädagogin, Würzburg, Leitung.

Weitere Informationen:

Prof. Dr. Lorenz Schwachhöfer: Mathematisches Denken

In diesem Vortrag werden die Grundlagen der Mathematik vorgestellt. Entscheidend für die Mathematik als Wissenschaft ist der axiomatische Aufbau, d.h. es werden gewisse Grundregeln (Axiome) und ein logisches Modell vorausgesetzt und daraus werden Aussagen hergeleitet (bewiesen). Allerdings ist der Wahrheitsgehalt dieser Aussagen nicht absolut, sondern hängt von den zugrunde gelegten Axiomen ab. Dies wird an einem historisch sehr einschneidenden Beispiel gezeigt, nämlich der hyperbolischen Geometrie, die zu Beginn des 19. Jahrhunderts eingeführt wurde und bis auf ein Axiom mit der klassischen Euklidischen Geometrie übereinstimmt. Obwohl hier viele Eigenschaften ähnlich zur Euklidischen Geometrie sind, gibt es auch eine große Anzahl von unterschiedlichen Phänomenen, die dennoch eine hohe Ästhetik aufweisen.

Foto: Felix Schmale, TU Dortmund.

Lorenz Schwachhöfer studierte Mathematik mit Nebenfach Informatik zuerst an der TH Darmstadt, später an der Tulane University in New Orleans (USA), wo er 1988 mit dem Master abschloss, und promovierte 1992 an der University of Pennsylvania in Philadelphia (USA). Nach Postdoc-Stellen an der Washington University in St. Louis (USA) und am Max-Planck-Institut in Bonn wurde er wissenschaftlicher Assistent an der Universität Leipzig und habilitierte sich dort 1998. Eine erste Professur erhielt er 2000 an der Université Libre in Brüssel, drei Jahre später nahm er einen Ruf an die TU Dortmund an, wo er seitdem den Lehrstuhl Differentialgeometrie leitet. Aktuell leitet er als Vorsitzender den Senat   der TU Dortmund.

 

Claudia Rottsahl: „Sieben Tage“

Le Manoir du Cleuyou – Während der Kulturtage vor Ort zeigte die Künstlerin Claudia Rottsahl die Arbeit „Sieben Tage“. Aus folieartigem Material (ursprünglich zum Schutz von Räumen und Möbeln bei Maler- und Umzugsarbeiten) entstanden sieben Hüllen in ähnlicher Form. Genäht, geklebt und bemalt, erinnern sie an „Malá morská víla“, eine besondere tschechische Verfilmung des Märchens von der kleinen Meerjungfrau (H.C.Andersen) aus dem Geburtsjahr der Künstlerin 1973. Grundlage der Arbeit bilden bei Claudia Rottsahl meist diverse Erinnerungsstücke. Fragmentarisch wahrgenommen und mit aktuellen Bezügen sowie Tatsachen der Gegenwart gekoppelt, liefern sie spezielle Ausgangspunkte für Form und Umsetzung. Oft sind die Arbeiten mehrteilig und erweiterbar. Zur Installation gehören mithin zwei kleine Skizzenbücher sowie das ebenfalls im Kontext des Ausstellungsprojektes „Mein wildes Heim“ entstandene „TaschennetzBuch“. Mit der Präsentation der Objekte fand die Künstlerin ihren ganz eigenen Zugang zu den geschichtsträchtigen Räumen des alten Manoirs sowie zur schweren Apparatur der im Park befindlichen Wassermühle. Dazu entstanden zwei Videos zum Klang des Wasserrades. Eine nixenähnliche Hülle der Installation drehte sich um die massive hölzerne Achse und schien durch den am Boden befestigten Spiegel hindurch zu schwimmen. Kleine Glanzbildpuppen in neonfarbenem Tüll tanzten auf der Mechanik, die sonst den Mühlstein bewegt; ein scheinbar leichter Tanz trotz abrupter Bewegungen bei der Umsetzung und Übertragung der massiven Kraft des Wassers vom Bach ins Mühleninnere.

Claudia Rottsahl studierte in Leipzig Kunstgeschichte und Pädagogik (Magister) mit Schwerpunkten in Kunstpädagogik und Biografieforschung, später Bildende Kunst an der fadbk, Essen (Meisterschülerin). Ihre Arbeit ist kontextuell und entsteht im Handlungsraum von Malerei, Medien, Installation und Fotografie. Sie ist Autorin des Spiels factoryRIXXI. Seit 2012 arbeit sie gemeinsam mit 4 Künstlerinnen im Projekt „Mein wildes Heim“. Auch hier ist ihre künstlerische Arbeit davon geprägt, Momente der Erinnerung mit aktuellen Tatsachen und Ereignissen zu vernetzen.

www.meinwildesheim.blogspot.de
www.claudiarottsahl.de

Robert Koch: „Three Rooms, Three Pieces“

Das künstlerische Arbeiten von Robert Koch bewegt sich zwischen Kunst, Musik undWissenschaft. In seinem jüngsten Projekt mit dem Arbeitstitel „Three Rooms, Three Pieces“ dreht sich alles um die Entstehung dreier unterschiedlicher Kompositionen, die teils durch das Miteinbeziehen des Publikums, teils durch das Mitwirken zweier Musiker der Dortmunder Philharmoniker, teils durch eine Kooperation mit einem Profi-Balletttänzer, in den drei Hallen der ID Factory aufgeführt werden sollen. Die künstlerische Arbeit setzt sich aus Video, Klang und Performance zusammen. Die Kompositionen sind jeweils in den Tonarten f-Moll, a-Moll und c-Moll komponiert und sind als eine Fortsetzung des „tory“-Projektes aus dem Jahr 2012 zu verstehen, welches im Rahmen des Symposiums „Kunst fördert Wissenschaft“ präsentiert wurde. Das Projekt „tory“ lieferte durch eine verschlüsselte Wortkombination eine Anspielung auf das Gebäude ID-factory. Dabei wurden die Akkorde F, A und C-Dur von einem Chor eingesungen und stellten den ersten Teil der Bezeichnung „factory“ dar. Der zweite Teil bestand aus eigens für die Installation kreierten Produkten der fiktiven Marke „tory“, die in Form von zum Verzehr angebotenen Getränken einen performativen Akt einleiteten.

Einen neuen Ansatz sucht Robert Koch in der Ausarbeitung einer Notationsschrift, die durch eine graphische Darstellung alternative Betrachtungsweisen eröffnet und einen Bogen zwischen kreativen Denkprozessen in der Musik und der Kunst spannt.

Robert Koch ist Student an der Technischen Universität Dortmund. Neben der Kunst studiert er Musik, die er in einen Teil seiner künstlerischen Projekte miteinbezieht.

 

Kulturtage vom 27. 08. -02. 09. 2014 im Manoir du Cleuyou in Ergué-Gaberic, Bretagne. Eine Kooperation des BfI (Büro für Innovationsforschung Mainz) und der [ID]factory/TU Dortmund mit fachübergreifendem Diskurs unter der örtlichen Leitung von Marion Bertram

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